Sonntag, 22. Mai 2011

Über das Essen / On Eating

 Ich habe gerade Schokolade gegessen.

Nein, kein kleines Stückchen, das ich mir voller kulinarischer Wollust habe auf der Zunge zergehen lassen, im wissentlichen Genuss, dass ich mir den Rest für den nächsten Schokoladenhunger aufheben würde. Nein, es war auch keine dunkle Schokolade mit sehr hohem Kakaoanteil, die gesünder ist und den Schokoladenhunger schneller stillt. Und ich werde mich jetzt auch nicht schlechten Gewissens selbst geißeln, indem ich mir Vorwürfe mache oder mich sportlich abreagiere. Ich habe - Schande über mich! - gerade eine 40-Gramm-Packung Bio-Vollmilch-Schokolade mit Caramel Crisp vertilgt, so nebenbei am Computer, weil ich gerade Lust darauf hatte.

Sie war weniger lecker als erwartet. Je nun. Egal. Weitermachen.

Im Klartext: Ich habe gerade etwas ganz und gar Unweibliches getan, wenn man den heutigen Maßstäben Glauben schenken will. Denn eigentlich sollte ich mich ja entweder an die Grundregel halten, von "bösem" Essen nur minimste Mengen zu essen, dabei in schier orgasmischer Begeisterung zu schwelgen und danach mit einem schelmischen Augenzwinkern von einer "Sünde" zu sprechen.
Oder aber ich esse mehr als nur einen Riegel und muss mich danach für die "Sünde" selbst kasteien: Mit Sport um der Kalorienverbrennung Willen (nicht aus Spaß an der Bewegung! Wo kämen wir denn da hin?). Mit einer öffentlichen Beichte bei verständnisvollen Freundinnen, die mir dann mit einem "Nicht so schlimm, du siehst super aus, bei mir geht sowas ja immer gleich auf die Hüften!" Absolution erteilen oder sich meiner "Mea Culpa"-Arie ihrerseits mit einer Auflistung ihrer Essensvergehen anschließen, wenn sie nicht gar versuchen, meine Schande zu überbieten. Und natürlich zu Guter Letzt im Zweifelsfall einfach mit einer Runde Abscheu vor meiner Selbst, weil ich mich nicht an die Regeln gehalten habe.

Tja. Ich verweigere mich jeder einzelnen dieser Optionen. Ich hab halt einfach Schokolade gegessen, weil mir danach war, sie hat mir nicht so gut geschmeckt, wie ich gehofft hatte, aber sei's drum, das kann passieren. Ich bin deswegen kein schlechter Mensch, ich bin dadurch auch nicht auf magische Art und Weise hässlicher geworden, ich kann mir trotzdem im Spiegel noch in die Augen schauen, und ich bin nicht der Meinung, dass die Schokolade deswegen total "böse" ist und ich eine "Sünde" begangen habe.

Für mich fühlt sich das immer noch irgendwie skandalös an: Essen - etwas Ungesundes essen, vor allem - und sich danach nicht wie eine Versagerin zu fühlen. Keine Entschuldigungen finden zu müssen, keine Rechtfertigungen, keine Ausreden. Denn dazu gehört auch die Einsicht: Mal ehrlich, wenn dir die Schokolade nicht schmeckt, dann musst du sie ja beim besten Willen auch nicht aufessen! Stimmt. Hab ich aber. Alte Gewohnheit. Es ist was Ungesundes im Haus, also muss es schnell weg, bevor es mich in Versuchung führt. Und danach gleich: Oh mein Gott, wie konntest du das tun, du bist ja wohl schwach, widerlich, schlecht...

Nein. Ich hab einfach nur Schokolade gegessen. Und irgendwann kann ich auch Schokolade essen, ohne dass sich solche Gedankengänge in meinem Kopf formen. Derzeit muss reichen:

Ich hab Schokolade gegessen. Und das ist vollkommen okay.

Was ich eigentlich sagen wollte: Frauen und Essen, das ist oft eine wahnsinnig komplexe Angelegenheit. Oh, ich bezweifle nicht, dass es mehr als genug Männer gibt. denen es genau so geht, aber wir weiblichen Wesen, wir werden mittlerweile quasi so herangezüchtet, dass wir uns nicht nur "bewusst" ernähren, sondern beinahe schon "überbewusst". Jede Mahlzeit hinterfragen. Jedes Naschwerk auf seinen moralischen Wert untersuchen. Jedes Übertreten einer unsichtbaren Grenze als Sündenfall, als charakterlichen Fehler betrachten. Und wenn man sündigt, dann bitte niemals so, dass es jemand mitkriegt...

Ich finde die Bilder von Lee Price diesbezüglich extrem aussagekräftig (Achtung, z.T. nicht zwingend was fürs Angucken im Büro). Frauen und Essen - eines der letzten Tabus unserer Gesellschaft, eine verwerfliche Tätigkeit, die nur in einem bestimmten Rahmen stattfinden darf? Salat in der Öffentlichkeit, Tortenschlacht hinter verschlossenen Türen?

Schwierig. Selbst auferlegt und dennoch so schwierig abzuwerfen, diese Vorstellung. Nicht zuletzt natürlich auch deswegen, weil Gewichtsverlust immer lobenswert ist, oftmals ohne jegliche Berücksichtigung des Grundes. Eine Darmgrippe? Hurra! Ich fühle mich zwar sterbenselend, aber ich nehme ab! Liebeskummer? Waaahhh, ich werde nie mehr glücklich sein, ich kann vor Kummer nichts mehr essen, aber siehe da: Eine Kleidergröße weniger! Und selbst wenn man selbst das Positive daran nicht sehen mag, weil es einem gerade wirklich schlecht geht - der Rest der (weiblichen) Welt wird uns schon mit einem "Oh, wow! Gut siehst du aus! Hast du abgenommen?" darüber informieren, dass wir gefälligst glücklich zu sein haben, denn wir haben das große Los gezogen: Wir sind weniger geworden!

Ich weiß nicht. Sollten wir nicht eher danach streben, mehr zu sein?


So, I just ate some chocolate.

Nope, it wasn't just a little piece of chocolate that I savoured with eyes shut in reckless lust, letting it dissolve on my tongue while keeping in mind all the time that I'd save the rest for my next chocolate fix. And no, it wasn't dark chocolate that's supposed to be better for you and give you that same chocolate fix more quickly. And finally: No, I will not chastise myself by exercising and/or telling myself what a horrible person I am. I just ate - oh the humanity! - 40 gramms of organic milk chocolate with caramel crisps while doing stuff on my computer, just because I felt like it.

It wasn't as delicious as I'd hoped. Ah well. Happens. Life goes on.

In other words: I have just done something completely and utterly unfeminine, if one considers the rules us Western first world females tend to live by. Because really, I should only be eating minuscule amounts of "bad" food, and if doing so, I should rejoice in sheer orgasmical rapture and afterwards talk about my "sin" with a devilish twinkle in my eye.
Or I eat more than one might call my fair share - which is where I have to repent for my sins, for instance by exercising in order to burn calories (not for the pure joy of moving around! Heavens no!). Or I will confess my gluttonous ways to my girlfriends, who will then either absolve me with a "Oh, but honey, you look wonderful! That stuff would have gone straight to my hips!" or join me in my lamentations of "Mea culpa!" by listing their culinary sins, which of course are much, much worse than mine. Or, my last options would be to just tell myself how much I suck for not obeying the rules.

Well, here's the thing: I refuse to buy into any of those options. I just ate some chocolate because I felt like it, it didn't taste as good as I thought it might, but what are you gonna do? I am not a bad human being because of this, I did not magically become uglier, I can still look at myself in the mirror and no, I do not for the life of me think that chocolate is "bad" or "evil" and that I've committed a "sin".

This still feels rather scandalous to me: Easting - especially something that's considered unhealthy - and not feeling like a complete failure afterwards. Not to be obliged to find excuses, or justifications or apologies. Becase along with this, there's also that other thought that pops up. It goes a little like this: "Really, if you don't like the taste of this chocolat, don't eat it, for Pete's sake!" Too true. I did, though. Because right now, I am still fighting the old habit of "Bad food in the house - must be eaten immediately so it won't tempt me any longer!" Which of course is immediately followed by "How. Could. You. You are disgusting. Disgraceful. Weak. Baaaaad!!!"

No. I just had some chocolate. And one day, I'll be able to eat chocolate without having all these thoughts. Right now this will have to do:

I ate some chocolate. And that's perfectly okay.

Anyway, here's what I've been meaning to say: Women and eating. It's a terribly complex thing. Oh, I don't doubt that there are more than enough men who also feel this way, but us females - well, we're brought up to not just mind what we eat, but rather to fret about it. Question every meal. Deliberate on every single snack's moral value. Consider every step over that invisible line to be a deadly sin, a lack of character. And if you're going to sin, never let anybody catch you doing it... 

Lee Price's paintings seem to be very, very apt illustrations of this behaviour (NSFW). Women and eating - is this one of our society's last taboos, a reprehensible activity only fit to practise in a certain setting? Salads in public, cake feasts behind closed doors?

It's a difficult notion. One we put upon ourselves and yet cannot seem to cast off. Not the least in part because losing weight is a positive thing, never mind the circumstances. Stomach flu? Woohoo! I feel like crap, but I'm shedding pounds! Lovesick? Waaaagh, I might never be happy again, I cannot eat because I am so, so devastated, but lookee here: I've lost a dress size! And even if you yourself can't see the positive aspect of your suffering, the (female) people around you will be sure to let you know:"Wow! You look great! Did you lose weight?" So, obviously: Quit complaining! Be happy! You did it! There's less of you! 

I don't know. Shouldn't we strive to... be more?

1 Kommentar:

  1. brilliant post...just like the other day when shopping I bought 2 creme caramels...for ME...because I LOVE them...so I treated myself.
    JUST BECAUSE...and I think YES,we should Do more for "me"...
    HUGS
    CHar.x

    AntwortenLöschen